Totally Wired
Kristin Behlert über den Umgang mit persönlichen Daten im WWW

Morgens halb zehn in Deutschland. Ich schalte meinen Rechner an und betrete eines der größten und populärsten sozialen Netzwerke des World Wide Web. Es ist blau, die Farbe, die bekanntlich auch viele Versicherungen benutzen, weil sie so vertrauenserweckend ist.

Vertrauenserweckend. Das scheinen auch einige meiner virtuellen Freunde für bare Münze zu nehmen. Und so markieren sie sich fröhlich und ausgelassen auf den Fotos der letzten gemeinsamen Sause am Wochenende, kommentieren Anfragen mit ihren Telefonnummern, icq Nummern und bestenfalls schreiben sie noch ihre Hausnummern für die nächste anstehende ausschweifende Feier dazu. Bei allem Spaß und aller Information, die eine solche Social Network Plattform bietet, sollte man aber nicht vergessen, dass Datenschutz heutzutage eine sehr undurchsichtige Angelegenheit ist.

Da werden Werbepartner mit E-Mail-Adressen versorgt, um gegebenenfalls die richtige Werbung per Post oder per Mail an die jeweiligen Zielgruppen raus zu schicken. Da gibt es Freunde auch in meinem virtuellen Freundeskreis, bei denen eingebrochen wurde, nachdem sie eben vorher zur Party in die Musterstraße 5 geladen hatten, um anschließend allen zu erzählen, dass sie mal eben für eine Woche im Urlaub sind. Und zwischendrin immer mal wieder ein Bild der neusten Technik und ein weiteres vom Wohnzimmer, auf dem der Rechner und der Hightech Fernseher zu sehen war. Wen wundert´s? Ab 100 Freunden wird es dann aber auch schon mal unübersichtlich.

10:00 Uhr: mein Freund Ed postet eine Petition gegen das Todesurteil der Iranerin Sakineh Mohammadi Ashtiani. Binnen kürzester Zeit verbreitet sich dieses Posting, ca. 80.000 Menschen treten bei Facebook Gruppen zur Rettung Sakinehs bei und veranlassen zusätzlich mit anderen im Internet vertretenen Menschenrechtsgruppen die Verschiebung der Hinrichtung. Wir halten fest: Facebook kann in Anbetracht solcher Ereignisse auch eine Möglichkeit sein, intensiv in das weltweite Geschehen einzusteigen und aktiv mitzuwirken.

11:00 Uhr: Der Zufallsmodus meines Musikabspielprogrammes präsentiert mir die Kings of Leon mit Use Somebody. Per Skype unterhalte ich mich darüber mit einem guten Freund, der mir prompt eine ziemlich gute Coverversion einer jungen Frau am Piano zukommen lässt. Sie heißt Safia und nach einmal hören beschließe ich, sie bildet den heutigen Auftakt meiner Videopostings.

11:20 Uhr: Posting Safia-Use somebody Cover an meine Pinnwand 11:21 Uhr haben bereits fünf meiner Freunde den Gefällt mir Button gedrückt und einer bedankt sich für die stetigen guten Musikvideos an meiner Pinnwand. „U made my Day!“ Wir halten fest: Auch das ist Facebook. Erfreue dich an der Gesellschaft des jeweils anderen und erfreue sie durch gute Mitteilungen.

Nun gut, ich gebe zu, der ein oder andere nimmt die Aufforderung auf der Startseite „Was machst du gerade?“ zu ernst und teilt mir täglich mehrmals Dinge mit, wie beispielsweise „ein Wurstbrot essen“, „wartet auf den Bus“ oder „geht mal vor die Tür“. Das bereichert im Endeffekt genauso wenig wie Anfragen von Farmville Spielern und versendete Herzchen.

12:00 Uhr: An meiner Pinnwand fragt eine Freundin, ob ich Lust auf einen spontanen  Kaffee habe. Ich bejahe, schließe den Rechner und trete hinaus in die Welt, ganz ohne vorher in meiner Statusmeldung davon zu berichten.

23:00 Uhr: Terrorwarnung, ein Paket bei einem Imbiss in Köthen wurde gesprengt. MSN Nachrichten zeigt aber nicht einen Imbiss in Köthen, sondern meinen  Lieblingscurrybudenimbiss Konnopke um die Ecke an der Schönhauser.

23:01 Uhr: Posting der eben gelesenen Nachrichtenanzeige mit dem Kommentar „!!!das is ja mal unverschämt… in köthen wird ein paket gesprengt und zu sehen ist konnopkes imbiss… unfassbar!!!“ Wir halten fest: Facebook ist auch Aufklärung von falsch vermittelten Medieninhalten.

Ich möchte also nicht den gefürchteten Zeigefinger erheben, sondern lediglich aufrufen zum vernünftigen Umgang mit Netzwerkenook, StudiVZ, um nur zwei Vertreter zu nennen. Gerade jetzt in Zeiten von Terrorwarnung, in denen Diskussionen über  Vorratsdatenspeicherung wieder lauter werden, sollte man das Internet bedacht nutzen. CDU-Politiker wie Axel E. Fischer rufen gar zum Vermummungsverbot im Netz auf.

Manche meinen, dass sich viel zu viele mit Pseudonymen im Netz ein Kopftuch aufsetzen. Ich meine, manche sollten sich schleunigst eins aufsetzen, denn wenn Freunde und Arbeitskollegen schon auf einer gemeinsamen Freundesliste erscheinen, sind auch aktuelle oder neue Arbeitgeber nicht weit. Mittlerweile gibt es einige Unternehmen, die die Namen ihrer Bewerber durch die eine oder andere Suchmaschine jagen. Peinliche Bilder oder blöde Kommentare können da die Chance auf eine Anstellung
schnell zu einem Gefällt-mirüberhaupt-nicht werden lassen.

Die Schweizer Nachrichten berichten heute, wie ein Mitarbeiter einer französischen Firma auf seiner Facebook-Seite gewettert habe, er sei Teil des „Clubs der Unglückseligen“. Andere Angestellte folgten mit blöden Kommentaren. Blöd nur, dass diese sichtbar für „Freunde von Freunden“ war und damit auch für alle anderen Mitarbeiter. Es folgte die erste offiziell gültige Kündigung aufgrund eines Facebook-Kommentars. Drei Menschen wurden entlassen wegen „Verunglimpfung“ und „Anstachelung zu Rebellion“. Die haben jetzt zwar ziemlich viel Zeit für Facebook, aber inwieweit sie diese noch nutzen, ist fraglich.

In diesem Sinne. Bedenke wohl, was du postest, denn es könnte gelesen werden!

Böse Kommentare auf Facebook sind ein Kündigungsgrund
Facebook – Die 10 wichtigsten Datenschutzeinstellungen

Dieser Artikel wurde zuerst veröffentlicht in:
JiM – Das Magazin, Ausgabe 32, Dezember 2010.