Saltatio Mortis im Interview
Das "Knoblauch im Kühlschrank"-Problem

Saltatio Mortis ist eine Mittelalterrockkapelle, die zur Zeit aus 8 Musikern besteht. Die aktuelle Platte „Zirkus Zeitgeist“ erschien 2015 nicht nur als Studioalbum, sondern auch unplugged.
Eva Stützer und Ann-Sophie Groß trafen Sänger Alea, der Bescheidene und Schlagzeuger Lasterbalk, der Lästerliche vor ihrem Konzert auf dem Open Flair 2016.

Das hier ist euer erstes Open Flair, nicht wahr? Wie fühlt sich das für euch an?

Lasterbalk: Ja, Großartig. Backstage und Bühne sind toll, ich freue mich auf heute Abend und hoffe, dass jemand vorbeikommt.
Alea: Ja, ich glaube schon. Habe eben schon ein paar Leute getroffen, die kommen wollen.
Lasterbalk: Wir haben heute schon den Sound gecheckt und da war ordentlich Soundchecktourismus, also Mitarbeiter und andere Leute, die sich um die Bühne herumtreiben.

Ist es ungewohnt für euch, bei einem solchen Festival zu spielen, wo ihr doch mehr der Schiene Mittelalterfest entspringt?

Alea: Würde ich gar nicht mehr sagen. Wir sind mittlerweile auf allen möglichen Festivals unterwegs, sei das Wacken oder Deichbrand.
Lasterbalk: Ich freue mich tierisch auf das Open Flair, weil leider leider, und ich weiß auch nicht wirklich warum, wird man als  Mittelalterrockkapelle entweder nur auf den Mittelaltermarkt gesteckt und da steckt man dann auch fest oder man darf Rock- oder Metalfestivals bespielen. Aber auf Festivals, die offener sind und auch andere Musikstile präsentieren, werden wir seltener eingeladen. Daher finde ich das total schön, dass das Open Flair uns berücksichtigt hat.
Alea: Ich finde es auch unfassbar spannend hier: Ich war gerade auf dem Weg zur Hauptbühne und da siehst du alle möglichen Leute: Da sind die Metaler, die trinken einen mit jemanden, der Raverklamotten trägt, ist total super.

Was erwartet ihr von eurem Publikum?

Lasterbalk: Da gibt es unterschiedliche Meinungen. Der nette, junge Herr neben mir erwartet, dass alle bis zur kompletten Muskelermüdung und weit darüber hinaus alle Arme oben haben, im Takt mitklatschen, mitspringen, möglichst laut mitsingen und Erschöpfung ist keine Ausrede. Ich erwarte, dass die Leute Spaß haben.

Ich habe beschlossen, heute zum ersten Mal zu versuchen zu crowdsurfen bei euch.

Lasterbalk: Ja? Geil!
Alea: Schön. Crowdsurfen hat bei Saltatio Mortis alte Tradition.

Ihr seid ja eine recht große Band und es scheint mir, als würdet ihr euch gern auf die Schippe nehmen. Vertragt ihr euch auf Tour?

Lasterbalk: Meine Lieblingsgeschichte ist von unseren beiden Hauptdudelsackspielern, Luzi, das L und El Silbador. Kurz vor dem Auftritt kommt Elsi, der auch Dudelsäcke baut, zu Luzi und meint: „Ich habe dir 7 Fehler in deinen Dudelsack eingebaut, mal sehen, ob du sie alle findest.“
Alea: Und das 15 Minuten vor Show.
Lasterbalk: Ich glaube, das beantwortet die Frage.

Und was ist daraus geworden?

Lasterbalk: Ich glaube, er hat sie alle gefunden.

Das letzte Album war relativ politisch, modern und weniger mittelalterlich. Wird das so bleiben?

Lasterbalk: Was wir schon immer sagen: Wir machen Platten, wenn wir meinen, eine Platte zu machen. Dann schreiben wir Songs und wählen daraus aus, was später Platte wird. Ich wage noch keinen Blick in irgendeine Kristallkugel, wohin das laufen wird.
Alea: Desweiteren haben wir nie gesagt, wir sind Mittelalter, sondern Spielleute und die haben in der alten Zeit ja auch keine Geschichten von gestern erzählt, sondern von heute. Deswegen sind wir in guter Tradition.
Lasterbalk: Es ist zumal wichtig, zu reflektieren, in welcher Zeit man lebt. Ich persönlich finde es unerträglich und werde tatsächlich richtig böse, wenn mir jemand sagt: „Spiel doch gefälligst was, wo ich nicht nachdenken muss! Unterhalte er mich!“ Ganz ehrlich, dann schau 14 Uhr nachmittags RTL, aber komm nicht zu uns. Ich möchte Dinge auf unterschiedliche Art und Weise ansprechen, das kann wie in „Fiat Lux“ sein, aber auch in „Nachts weinen die Soldaten“ oder „Wachstum über alles“ sein. Was nicht heißt, dass wir nicht auch einen Song wie „Rattenfänger“ spielen, Alea ins Publikum werfen, gucken, ob er wieder zurückkommt, uns necken, zusammen hüpfen und Spaß haben. Oder, was auch Liveklassiker ist, „Koma“, ist ein sehr hartes Lied über ein Sterbeschicksal und trotzdem ein Partysong.

Welches Thema macht euch gerade rasend?

Alea: Wir haben mit „Wo sind die Clowns?“ ein solches Thema angesprochen. Ich gehe durch deutsche Straßen und sehe nur Leute, die aussehen als wären sie geschlagen worden, um auf dieser Welt sein zu dürfen. Das ist das Land der Miesepeter. Ich verstehe das nicht. Man kann doch auch mal lachen, sich seines Daseins erfreuen und mit offenen Augen durch die Welt gehen. Es ist nicht alles schlecht, auch nicht alles gut. Die Lefzen so weit nach unten zu hängen wie möglich, ist anscheinend schick.
Lasterbalk: Für mich ist es das unreflektierte Nachplappern der Idioten. Ob in sozialen Medien oder im realen Leben, kein Mensch stellt mehr irgendetwas in Frage. Meinungspluralismus ist gut, aber man muss sich ja klar werden, warum man zu einer Meinung kommt, bevor man in einen Diskurs einsteigt.

Auf dem letzten Album „Zirkus Zeitgeist“ habt ihr euch sehr aufwändig als Clowns verkleiden lassen. Sowas gab es auch schon auf früheren Alben. Verkleidet ihr euch gern?

Alea: Unterschiedlich, ich persönlich liebe es. Bin auch ein Theaterkind. Ich mag es, einer Seite von mir den Spielplatz zu geben. Ich bin der Meinung, man kann sich nur als das gut verkleiden, was man auch wirklich ist. Ich steh total auf Clowns.
Lasterbalk: Was ich spannend finde, wenn wir über neues Artwork oder Design sprechen, ist optische Opulenz. Ich finde, „Zirkus Zeitgeist“ hat ein sehr geiles Artwork und gute Gedanken, sehr stimmig und passend. Es stecken eine ganze Menge guter grafischer Ideen drin. Dafür mache ich auch jeden Scheiß mit, da lass ich mir auch die Haare toupieren.

Aber ihr müsst keinen aus der Band dazu zwingen?

Lasterbalk: Zwingen ist ein hässliches Wort. Nahrungsentzug, Schlafentzug, Fußfesseln, Schläge, ich würde es nicht zwingen nennen, aber es war nicht jeder immer begeistert. Wobei auch die Miesepeter die aufwändigste Maske abbekommen haben und zum Schluss am meisten Spaß hatten.
Was habt ihr in euren Kühlschränken?

Lasterbalk: Sehr wenig, denn ich versuche immer frisch zu kaufen, wenn ich etwas koche.
Alea: In meinem Kühlschrank ist Magerjogurt, Magerquark, eine ganze Schublade voller Früchte, eine Ingwerknolle, Zwiebeln, Knoblauch.
Lasterbalk: Du hast Knoblauch im Kühlschrank?
Alea: Ja, dann liegst nicht woanders rum.
Lasterbalk: Kauf dir ein Tonaufbewahrungsgefäß und tu deinem armen Knoblauch nicht die sechs Grad im Kühlschrank an. Mach es nicht.
Alea: Ach, der kam aus China, der hat schon viel Leid gesehen. Eine Süßkartoffel, Kokosmilch und laktosefreie Milch für meine Katze.

Vielen Dank für eure Zeit. Ich wünsche uns allen ein hervorragendes Konzert heute Nacht.

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Offizielle Website: www.saltatio-mortis.com/

Interview: Eva Stützer, Open Flair 2016
Foto: Ann-Sophie Groß

3 Gedanken zu „Saltatio Mortis im Interview“

  1. Sorry aber Mittelalterkapelle oO geht gar nicht ! Ich finde das die junge Dame die das geschrieben hat sich nicht wirklich dafür interessiert und sich nicht damit wirklich auseinander gesetzt hat !

    1. SaMo sind beides. Sie sind tatsächlich eine typische „Mittelalterkapelle“, wenn man auf Festivals wie dem MPS unterwegs ist. Und sie sind auch eine Rock-, fast Metalband, wenn man sich die anderen Sachen anguckt. Nicht ohne Grund sind die Auftritte auf der Website mit Rockshow oder Mittelaltershow gekennzeichnet… Nur kennen gerade die jüngeren Fans die alten, mittelalterlastigen Sachen nicht mehr. Ist jetzt die Frage, wer sich nicht richtig auseinandergesetzt hat…

      Und das Wort „Mittelalterrockkapelle“ stammt von Lasterbalk, nicht von ihr!

    2. Liebe Lee,
      ich finde es bei vielen Bands, darunter auch SaMo, sehr schwierig, ein treffendes Wort für die Musik zu ermitteln. Einerseits möchte ich niemanden in eine Schublade zwängen, vor allem, da jeder Mensch andere Assoziationen hat, andererseits will ich den Lesern, die Saltatio Mortis nicht kennen, zumindest eine Idee vermitteln, um welches Genre es sich handelt.

      Gerne würde ich erfahren, was genau dich an „Mittelalter(rock)kapelle“ stört, das hast du leider nicht erläutert.
      Wie Kathleen richtig angemerkt hat, stammt der Begriff nicht von mir. Ich bin seit einigen Jahren ein großer Fan von SaMo und empfinde die Betitelung nicht als kränkend.

      Viele Grüße,

      Eva
      JiM- Das Magazin

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