Beiderseits der Logik
Außenwarm

Allseitige Annäherungen an das Leben, den Alltag und andere seltsame Angelegenheiten unter wortreicher Verknüpfung des Sinnes, Unsinnes und anderer Sinne sowie Widersprüche von Menschen und Gedanken.

Neben der Bude ganz hinten in der Reihe stand der Betrunkene an einen Laternenpfahl gelehnt, als sei er geheimnisvoll festgeklebt – jedenfalls fiel er nicht und seine Nase sog witternd den Geruch des Glühweins ein, der unter der Luft lag; doch die Laterne hielt ihn, beleuchtete ihm den Stillstand. Er schloss das rechte Auge und sein linkes sah einen Weihnachtsmann, der einem dicken Kind Schokolade schenkte; die Eltern bedankten sich. Dem Weihnachtsmann verrutschte der Bart, als er den Sack wieder auf die Schulter hob – das betrunkene rechte Auge öffnete sich: – der Weihnachtsmann zupfte an seinem Bart herum, zog etwas stärker, riss ihn schließlich ab und stolperte mit kalten Füßen über einen Bordstein. Das Kind lachte. Es kaute noch, es lachte. Musik überdeckte das Fluchen des aufstehenden Weihnachtsmannes, der sich, schweren Glühweindunst auf den Schultern, wieder erhob; der Duft gebrannter Mandeln schien ihn zu Boden zu drücken. Die Kapuze fiel in den Nacken; man sah verschwitzte schwarze Haare in einem Bücken nach dem Sack. Ein kleines Mädchen tippte ihm vorsichtig auf den Rücken; er drehte sich um; das Mädchen hatte Angst, »Komm, wir gehen weiter.«, sagte der Vater.

Den Sack auf der hängenden Schulter, blickte der Weihnachtsmann sich um und bemerkte den halbgeschlossenen Blick des Betrunkenen in seinen Augenringen verfangen; durch den Schleier außenwarmer Fröhlichkeit schaute er den Mann an der Laterne an, der sich vorbeugte und erbrach. Die Laterne zog ihn wieder in eine beinahe aufrechte Haltung – was im Glühwein ertrunken war, hatte er nun vollends aufgegeben.

Den Anderen fragte ein Junge ehrfürchtig: »Bist du der Weihnachtsmann?«
»Nein. Ich bin kein Weihnachtsmann.«, antwortete der Weihnachtsmann. Angewidert sah der Betrunkene auf das hoffnungsvolle Kind, dann auf das Erbrochene zu seinen Füßen, schließlich wieder in die müden Augen des Weihnachtsmannes. Der Glühwein zog dem Mann an der Laterne die Lider nach unten; sein Kopf kippte nach vorn und baumelte am Hals – Der Weihnachtsmann hatte kalte Füße. Er ließ den Bart fallen; der kleine Junge begann zu weinen. Der Weihnachtsmann nickte, weil es eben so war.

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Text und Bilder: Norman Weitemeier