Zum ersten Mal Open Flair
Highlight: Poetry Slam

Jan Schmidt hat in diesem Jahr zum ersten Mal ein größeres Festival besucht, das Open Flair. Er hat auch gleich die Chance genutzt, beim Poetry Slam auf dem Festival aufzutreten. Hier schreibt er, wie es für ihn war.

Das war er also nun. Mein erster Auftritt bei einem großen Festival. Generell mein erstes, großes Festival. Dazu sei direkt gesagt: ich bin kein Festival-Gänger. Ich war zuvor lediglich drei Mal beim Nonstock-Festival im nirgendwo von Hessen (große Empfehlung) und für einen Tag beim Lott-Festival im noch nirgendwoer in Rheinland-Pfalz. Bislang hörte ich ausschließlich gutes vom Open Flair, daher fasste ich den Entschluss mich der Masse hinzugeben. Volles Festival-Feeling. Zelten, zweifelhafte Ernährung, wenig Schlaf – zumindest die ersten drei Tage, für die Auftrittstage wurde mir ein Zimmer in der Jugendherberge reserviert.

Zweifelhafte Ernährung: Solche Delikatessen bietet die Stadt Eschwege ihren Besuchern.

Und was soll ich sagen? Natürlich kam es so, wie es kommen musste: ich war komplett unvorbereitet. Ich hatte das Glück bei einem guten Freund im Zeltlager unterzukommen, weil ich selber kein Zelt besitze. Dennoch empfiehlt es sich, offensichtlich essenzielle Sachen, wie eine Iso-Matte oder Nahrung mitzunehmen. 6 Flaschen Pfeffi waren zwar im Gepäck, aber das saugt das Bier beim Flunky-Ball auch nicht auf. Nach drei Nächten im Schlafsack auf nacktem Boden fühlte ich mich, wie generell zwischen all den Menschen hier: unerwartet alt. Bier-Frühstück, dazu labbriges Toast mit Senf und Käse – so muss sich für die oberen 10% das Existenzminimum anfühlen. Dazu wird man ab Sonnenaufgang von allen Seiten mit aggressivem Techno, hochwertiger Trinker-“Musik“ oder Rammstein wachgestreichelt. Logisch animiert das zu tiefsinnigen Gesprächen, bei den Adorno entzückt zum Selfie-Stick greifen würde.

Nach diesen drei Tagen war mein Körper kurz vor der Nahtod-Erfahrung und ich torkelte Richtung Auftritts-Location E-Werk, wo man mich auf den ersten Blick freudig, auf den zweiten, genaueren Blick entsetzt in Empfang nahm. Was mit mir passiert sei, fragte man mich. „Festival-Feeling“ lautete meine knappe Antwort. Ab hier begann der ultimative Wohlfühl-Modus. Das Backstage-Catering im E-Werk war beeindruckend groß und divers, perfekt vorbereitet für Kater-Tage, im Kühlschrank Wasser, Saft, Bier, Soft-Getränke, alles was man eben brauchen könnte. Überall waren konstant Verantwortliche, die jede noch so dumme Frage beantworten können. Rundum-Service pur. Mein Auftritt beim Halbfinale des Poetry Slams hatte alles. Ich war so verkatert, dass ich einmal fast auf die Bühne gekotzt habe – das ist zum Glück niemandem aufgefallen. Nach der Abstimmung standen zwei Sachen fest: 1. ich darf morgen im Finale nochmal. 2. gleich geht’s zum Stage-Diven. Und ich divte. Und es war gut. Die Menge hat mich durch den gesamten Saal gereicht. Ich war berauscht. So fühlen sich Rockstars. Ich bin ein Rockstar.

Anschließend im Backstage bin ich wieder in mich zusammenfallen; gib mir all dein Wasser liebe erste Welt. Das Festival-Backstage hatte noch mehr Luxus zu bieten. Ein herausragendes Catering, das keine Wünsche offen ließ und (zumindest an den zwei Tagen, die ich dort war) täglich wechselte (inklusive Vanille-Pudding, OH MEIN GOTT!), saubere Toiletten ohne Warteschlange, gemütliche Sitzgelegenheiten, Lagerfeuer, Mini-Tischtennis, Kicker.

Die Übernachtung in der Jugendherberge fühlte sich an, wie das beste Hotel der Welt. Mein Rücken dankte, mein Schlafrhythmus auch. Der letzte Tag wirkte wie betreutes wohnen. Fein ausschlafen, fein frühstücken, ganz gemütlich zur Auftrittslocation ins E-Werk. Das Finale war absurd voll. Stehpublikum beim Poetry Slam. Ja klar. Wo auch sonst. Es war fulminant. Generell habe ich das Gefühl, dass Festival-Publikum bei Slams noch mehr Bock hat komplett auszurasten als sonst. Das macht dann immer besonders viel Spaß. Am Ende durfte ich den Slam sogar gewinnen und „muss“ daher nächstes Jahr wieder antreten. Und obwohl ich Festivals eigentlich nicht mag, sage ich ohne zu lügen: ich freu mich drauf.

Infos zum nächsten Open Flair vom 5.-9. August 2020 gibts schon unter www.open-flair.de.

Text: Jan Schmidt
Fotos: Eva Stützer