Westthüringen blutet aus
Weißbuch Westthüringen 2020 zeichnet düstere Zukunft

Westthüringen blutet aus. Langsam, aber sicher. Das belegt das Weißbuch Westthüringen 2020, das die Wirtschaftsinitiative Westthüringen Ende März veröffentlichte.

Bis ins Jahr 2020 werden über 50 Prozent der 20 bis 30jährigen die Region verlassen haben. Insgesamt werden 50.000 Menschen der Region den Rücken kehren. Der Unstrut-Hainich-Kreis wird, laut Prognose des Landesamtes für Statistik, rund 14 Prozent seiner Einwohner verlieren. Besonders junge Frauen suchen das Weite. Im Jahr 2020 werden im Landkreis auf 100 Männer nur noch 79 Frauen kommen.

Auch der Geburtenrückgang ist dramatisch. Das Verhältnis von Geburten zu Todesfällen liegt in Westthüringen bei nahezu 1:2. Das heißt, auf zwei Gestorbene kommt nur ein Neugeborenes! Dafür werden rund 37 Prozent aller Bewohner Westthüringens über 60 Jahre alt sein. Die Folgen sind absehbar: Bevölkerungsrückgang, Fachkräftemangel,
Rückgang der Kaufkraft. Letztendlich droht vielen Dörfern, Stadtteilen und Regionen die Verödung.

Als eine der Hauptursachen für die anhaltende Abwanderung junger Menschen wird immer wieder das niedrige Lohnniveau in Thüringen genannt. Im Vergleich zu allen anderen Bundesländern wird in Thüringen am längsten gearbeitet und der niedrigste Lohn gezahlt. Spitzenreiter beim Lohndumping in der Region ist der Unstrut-Hainich-Kreis. Hier wird im Vergleich mit den andren Westthüringer Kreisen am wenigsten gezahlt. Der durchschnittliche Jahresnettoverdienst in unserem Landkreis betrug im Jahr 2003 weniger als 13.000 Euro! In Baden-Würtenberg werden für die gleiche Arbeit im Monat  durchschnittlich 1.000 Euro mehr gezahlt. Das sind mal eben 12.000 Euro mehr im Jahr!

Doch das ist nicht das einzige Problem. Aufgrund der sich wandelnden Tätigkeitsstrukturen wird die Bedeutung der Hochschulausbildung in den nächsten Jahren stark zunehmen. Immer häufiger wird von Bewerbern eine akademische Ausbildung verlangt. Aber auch auf diesen Trend ist die Region nicht vorbereitet. Mangels Universitäten und Fachhochschulen müssen junge Menschen mit Hochschulzugangsberechtigung das Land verlassen. Talenteschwund und Fachkräftemangel sind die Folge. Eine Entwicklung, die die Wirtschaft in der Region bereits heute spürt.

Zudem gibt es in vielen Bereichen kaum Angebote zur nebenberuflichen Weiterbildung. Berufstätige, die neben der Arbeit studieren möchten, müssen das in Bildungseinrichtungen anderer Bundesländer tun und zu Seminaren und Prüfungen zum Teil hunderte Kilometer weit fahren. Sehr zeitaufwendig, kostenintensiv und außerordentlich demotivierend!

Zu einem Brennpunkt wird sich den nächsten Jahren auch die Gesundheitsversorgung entwickeln. Das wird vor allen auch ältere Bürger treffen. Bereits jetzt sind die Wartezimmer überfüllt, Hochschules fehlen Ärzte und Klinikkapazitäten. Die Krankenhäuser können den Bedarf an Fachkräften bereits heute nur durch den Zuzug von ausländischen Spezialisten decken.

Doch nicht alle Orte sind gleich schlimm von dieser Entwicklung betroffen. So werden einzelne Städte von der Landflucht, also dem Wegzug der Landbevölkerung in die Städte, sogar profitieren.

Das Weißbuch trägt erstmals alle wichtigen Zahlen und Fakten zum demografischen Wandel in Westthüringen bis ins Jahr 2020 zusammen. Die Wirtschaftsinitiative Westthüringen will mit ihm eine Diskussion anregen, in deren Ergebnis Lösungsansätze zur Rettung der Region und konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der regionalen Wirtschaft entwickelt werden sollen.

Das Weißbuch Westthüringen 2020 steht im Internet unter www.wirtschaftsinitiativewestthueringen.de als PDF zum Download bereit.

Dieser Artikel wurde zuerst veröffentlicht in:
JiM – Das Magazin, Ausgabe 29, Juni 2010.