Sonderbar
Wie ein alter Mann seine Nachtmütze verlor. Teil 1

Eine abgefahrene Bettgeschichte über die seltsamen Erlebnisse eines alten Mannes. Teil 1. Von Norman Weitemeier.

Der alte Mann liegt im Bett. „Achtung am Nachttisch, ihr Bett fährt jetzt ab!“, tönt es plötzlich. Was ist da los? Der Alte setzt sich auf. Das Bett ruckelt leicht, dann setzt es sich in Bewegung. Er zieht die Schlafmütze tiefer in die Stirn, um sich vor dem Fahrtwind zu schützen; der Bommel weht hinter ihm her, auch die Bettvorhänge flattern und der Baldachin bläht sich.

Nicht nur wir fragen uns, was da vor sich geht, auch der alte Mann weiß nicht, wie ihm geschieht. Das letzte Mal, als er nicht verstand, was er sah, wäre das, was er sah, als er es verstand aus seiner Sicht ein guter Grund gewesen, seine Frau umzubringen. Aus diesem Grund wehrt sich sein Gehirn noch, die Lage zu erfassen. Ihm ist bewusst, dass die Ergründung undurchsichtiger Situationen die Lage schlimmer machen kann, als sie vorher war.

Lassen Sie uns darüber nachdenken, ob es nicht besser wäre, diesem Vorgang nicht auf den Grund zu gehen. Warum bedarf ein Umstand von dermaßen offensichtlicher Unsinnigkeit der Klärung?

Der Alte denkt darüber nach, ob nicht hier die Grenzen der Logik verlassen wurden. Er fragt sich nicht nach einer Erklärung selbst, sondern nach der Wahrscheinlichkeit, dass es eine gibt, die er zu finden vermag. Er entscheidet sich dafür, dass er wohl keine Erklärung wird finden können. Er wird sehen, was passiert und beim ersten Anzeichen von Logik wird er diese Entscheidung gegebenenfalls revidieren. Seine nächste Überlegung – ihn plagt sein ruheloses Hirn, von dem er manchmal glaubt, es gönne sich den Schlaf nicht, den es sich selbst und den dazugehörigen Körper tagsüber hat erarbeiten lassen – geht dahin, ob es ihm nicht peinlich sein müsste, diese Entscheidung getroffen zu haben und die Angelegenheit einfach hinzunehmen.

Etwas hektisch sieht er sich um. Wenn ihm das nächste Mal das beinahe panische Gefühl überkommen wird, ihm müsse etwas peinlich sein, er müsse sich für etwas schämen, wird er versuchen, die Bettvorhänge zuzuziehen; das weiß er jetzt schon. Er kennt sich schließlich schon lange.

Noch ist er allerdings damit beschäftigt, seine Schlafmütze festzuhalten. Er denkt nach, warum das so ist, weshalb es ihm widerstrebt, diese Mütze loszulassen. Er klammert sich geradezu an ihr fest, als würde er, wenn er losließe, vom Fahrtwind erfasst und aus dem Bett gerissen, davongetragen, verwirbelt und verweht, schließlich, da er sich selbst nicht fliegend vorstellen kann, vielleicht als eine Dunstwolke durch die Luft schweben, längst nicht mehr in seinem Schlafzimmer, aus dem er auf unverständliche Art und Weise hinausgelangt wäre – Warum nicht durch die Wand?

Die Wand hat kein Gehirn, sie weiß nicht, dass sie ihn nicht durchlassen kann. Doch, was heißt „kann“?! Darf! Es ist ihr per Naturgesetz vorgeschrieben. Die Wand und er könnten sich auf die Missachtung dessen geeinigt haben. Eine einseitige Einigung, denn die Wand denkt nicht, sie reagiert nur, wie über sie bestimmt wird. – flöge er über eine Landschaft, die hier nicht zu beschreiben ist, weil er sie sich gar nicht vorstellt. Weil er diesen Gedanken gar nicht denkt.

Stattdessen hält er die Mütze weiterhin mit beiden Händen.

Wird fortgesetzt.