Schule – und was dann?
Teil 2 - Vorbereitung auf die Berufswahl

Im Teil 1 in wurde thematisiert, weshalb der Übergang von der Schule in Ausbildung oder Studium vielen Schulabgängern schwer fällt bzw. schwer gemacht wird. So wurden der unsichere Arbeitsmarkt, die Konkurrenz um freie Stellen, die mangelnde Vorbereitung seitens der Schule und die massiven Veränderungen in der Arbeitswelt angeführt, um zu zeigen, welche Auswirkungen sie auf die Übergangssituation haben.

Die Absicht des ersten Artikels bestand darin, Euch, den Schülern, bewusst zu machen, dass zahlreiche Herausforderungen am Ende der Schulzeit lauern; dass es ganz normal ist, wenn Ihr beim Übergang Schwierigkeiten habt; und vor allem, dass nicht Ihr das Problem seid, sondern dass Euch Probleme in der Übergangszeit bereitet werden, die ihr allerdings zu lösen habt.

Deshalb geht es hier im Teil 2 um die Frage, wie man sich auf die Herausforderungen der nachschulischen Zeit vorbereitet. Es wird eine Vorgehensweise in vier Schritten vorgeschlagen:

1. Klärung der persönlichen Interessen für die Berufs- und Studienwahl

Die Interessen spielen bei der erfolgreichen Berufs- oder Studienwahl eine immer wichtigere Rolle. Warum ist das so? Es gibt heutzutage kaum ein anderes Kriterium, das soviel berufliche Orientierung verschafft, wie das Interesse. Oft werden noch andere Kriterien ins Feld geführt, doch bieten sie in der modernen Arbeitswelt wenig Orientierung.

Nehmen wir zum Beispiel die Sicherheit. Welcher Jugendliche kennt nicht die Reaktion der Eltern, wenn der eigene Nachwuchs äußert, er wolle Theaterwissenschaft oder Philosophie studieren: »Das ist eine brotlose Kunst, mach was sicheres – werde Bankkaufmann.« Diesem Argument muss man jedoch entgegenhalten, dass heute kein Beruf mehr sicher ist, auch nicht der des Bankkaufmanns. Dann kommt hinzu, dass im Gegensatz zu früher die berufliche Entscheidung eine individuelle Entscheidung darstellt. Berufliche Selbstbestimmung erfordert aber Kenntnisse über das eigene Interesse. Wer sein Interesse zur Arbeit macht, wird zufriedener sein als der, der aus anderen Gründen arbeitet.

Last but not least: Wer genau weiß, was er beruflich tun will, ist im Wettbewerb um Arbeitsstellen gegenüber jenen im Vorteil, die nur einen Job suchen. Arbeitgeber wenden nämlich viel Mühe auf, um einen Arbeitsplatz so passgenau wie möglich mit einer Arbeitskraft zu besetzen. Nun lehrt die Erfahrung, dass es mit den eigenen Interessen häufig im argen liegt. Diese sind alles andere als geklärt bzw. kommen bei der Berufs- oder Studienwahl weniger zum Zuge als angenommen.

Ich möchte das mit einem Zitat einer Schulabgängerin exemplarisch zeigen: »Neun Jahre Schulalltag sind plötzlich und endgültig zu Ende. Wir haben das Abitur in der Tasche. Tür und Tor in eine glorreiche Zukunft scheinen uns offen zu stehen. Doch die Entscheidung für diesen oder jenen Beruf wird zu einem gewaltigen Ringen. Zweifel an den eigenen Fähigkeiten werden plötzlich riesengroß. …Unsicher schlittern wir nun vorwärts. Unsicher und ängstlich, weil es nie eine wirkliche Interessensfindung gegeben hat, unsere Köpfe wurden hervorragend trainiert, nur, was von dem Gelernten uns selbst angeht, haben wir nie herausgefunden, zu beschäftigt waren wir mit der Jagd nach besseren Noten.« (Sabine Rutar, »Nicht wissen, wo es langgeht«, in: DIE ZEIT, Seite 40, Nr. 32, 1986).

Oft sind die Interessen also nicht stark genug entwickelt oder ausgeprägt, mit der Konsequenz, dass man sich stärker an den Angeboten des Arbeitsmarkts orientiert als an sich selbst. Oder es gibt innere Widerstände in Form von Ängsten, Zweifeln, Unsicherheit und von mangelndem Selbstvertrauen, die dazu führen, dass man von sich absieht und die eigenen Interessen zurückstellt.

2. Ableitung der Ausbildung oder des Studiums aus dem Interesse

Beschäftigt man sich ernsthaft mit seinen Interessensgebieten, so wird man nach einiger Zeit eine Liste von Themen haben, für die man sich interessiert. Diese Themen bzw.  Interessen bringt man in eine Rangfolge. Dies hat zwei Gründe: einerseits verschafft man sich Klarheit darüber, welches das Interesse ist, das einem am wichtigsten in beruflicher Hinsicht ist. Andererseits erlaubt die Liste einen Rückgriff auf weitere Interessen, wenn das erste partout als Ausbildung oder Studium nicht umsetzbar ist. Das Interesse Nr. 1 ist nun soweit zu konkretisieren, dass sich daraus ein Studium oder Ausbildungsberuf ableiten lässt.

Nehmen wir zum Beispiel an, eine Schulabgängerin interessiert sich für »Mode«. Dann ist zu klären, ob es um Mode entwerfen, schneidern oder verkaufen geht, über Mode schreiben oder Modeveranstaltungen organisieren.

3. Weitere Aspekte der Berufs- bzw. Studienwahl bedenken

>Neben der Berücksichtigung des Interesses, können noch andere Faktoren eine Rolle spielen, die man bedenken sollte: Beispielsweise kann der Ort der Ausbildung für manche bedeutsam sein (Stadt oder Land) oder die Größe des Arbeitgebers: Der eine fühlt sich eher in einem großen, der andere in einem kleinen Unternehmen wohl.

Ähnliches gilt für den Studienanfänger: er mag das richtige Studienfach gewählt haben, kommt aber an einer großen, anonymen Universität nicht zurecht. Fachhochschulen haben in der Regel den Vorteil, überschaubar zu sein.

Manchmal spielt auch die persönliche Beziehung zum Ausbilder oder Professor eine Rolle: wenn man mit dem nicht gut kann, mag es zum Ausbildungs- oder Studienabbruch kommen.

Dann sollte man sich insbesondere die Ausbildung, für die man sich entschieden hat, unter dem Aspekt anschauen, welche Folgen sie mit sich bringen kann: Beispielsweise wäre zu fragen, ob die Ausbildung gesundheitliche Beeinträchtigungen mit sich bringen kann; ob Arbeitszeiten zu erwarten sind, die einem nicht passen; ob sonstige negative Begleiterscheinungen mit dem Ausbildungsberuf und auch später bei der  Berufsausübung einhergehen.

Wenn dies der Fall ist, dann wäre zu klären, welche der Nachteile man bereit ist, in Kauf zu nehmen und welche nicht. Im letzteren Fall müsste die berufliche Entscheidung erneut bedacht werden.

4. Umsetzung

Steht der Ausbildungswunsch definitiv fest oder hat man sich für ein Studium bewusst  entschieden, dann stellt sich die Frage, was man alles von sich aus zu tun hat, um sein Ziel zu erreichen. Damit meine ich unter anderem:

  • Geeignete Betriebe oder Hochschulen identifizieren.
  • Voraussetzungen für die Aufnahme einer Ausbildung oder eines Studiums klären: Müssen Praktika absolviert werden oder werden bestimmte Notendurchschnitte verlangt? Sind weitere Hindernisse oder Formalitäten zu beachten?
  • Welche Kontakte sind zu knüpfen?
  • Wer kann mich bei meinem Vorhaben unterstützen?
  • Bewerbungen starten!

Unser Autor:

Günter Thoma arbeitet für die Deutsche BP Stiftung, die Projekte gegen Jugendarbeitslosigkeit in NRW unterstützt. Daneben führt er Berufsorientierungsseminare für Studenten, Schüler und Eltern durch.

Dieser Artikel wurde zuerst veröffentlicht in:
JiM – Das Magazin, Ausgabe 29, Juni 2010.