Probleme Jugendlicher oder Jugend als Problem?!
Subkulturen und Gesellschaft

Anna, Franziska, Maria, Paula und Sophie sind Schülerinnen der zwölften Klasse des Evangelischen Gymnasiums Mühlhausen. In diesem Jahr verfassten sie eine Seminarfacharbeit zu dem Thema „Subkulturen in unserer Gesellschaft – Ernstzunehmende Interessengemeinschaften oder provokante Paradiesvögel?“. Die wichtigsten Erkenntnisse daraus haben sie in diesem Artikel zusammengefasst.

Bereits der griechische Philosoph Aristoteles war der Ansicht die Jugend sei „unerträglich, unverantwortlich und entsetzlich anzusehen.“ Schon Jahrhunderte lang existiert dieser Konflikt zwischen jung und alt. Auf beiden Seiten herrschen oftmals Unverständnis und Vorurteile. Besonders junge Erwachsene, die sich von der restlichen Gesellschaft abheben, haben häufig mit Intoleranz ihnen gegenüber zu kämpfen. Gerade diejenigen, die sich einer Subkultur zugehörig fühlen, erregen durch ihr äußeres Erscheinungsbild häufig Protest und Empörung. Doch warum fallen diese Jugendlichen absichtlich aus dem „gesellschaftlichen Rahmen“? Versuchen sie dadurch ihre Mitmenschen zu provozieren und sich von ihnen zu distanzieren oder wollen sie lediglich ihre Individualität ausdrücken und Aufmerksamkeit erhalten?

Die Zeit zwischen Kindheit und Erwachsenenalter ist für viele Menschen durch Höhen und Tiefen gekennzeichnet. Die rasende Entwicklung des eigenen Körpers, die steigenden Anforderungen in der Schule und die Tatsache, dass die Heranwachsenden einen Platz in der Gesellschaft einnehmen und damit mehr (Eigen-) Verantwortung übernehmen müssen, scheinen für sie häufig mit unüberbrückbaren Problemen verbunden zu sein.

Die Gefühle und Empfindungen eines Menschen sind immer geprägt von dessen Verarbeitungsweisen und Vorerfahrungen. Diese stehen in engem Zusammenhang mit verdrängten oder unbewussten Wünschen und Konflikten. Vor allem die Pubertät führt zu einem regelrechten „Gefühlschaos“. Doch die meisten jungen Erwachsenen wollen mit ihren Eltern nicht über die verwirrenden Gefühle sprechen. So erfolgt ein Ablösungs-prozess vom Elternhaus und eine Orientierung hin zu anderen Jugendlichen, die ihre Probleme, Interessen, Weltanschauung und Vorlieben teilen und verstehen. Denn der Mensch als soziales Wesen will nicht allein sein. Er möchte einer Gruppe angehören. Die Kontakte zu anderen garantieren Sicherheit und Zugehörigkeit. So kommt es zu der Entstehung von Jugendszenen.

Unter diesem Begriff versteht man eine eigenständige Kultur einer kleinen Gruppierung innerhalb des größeren Kulturganzen. Besondere Merkmale dieser Gruppe sind insbesondere ein eigenes Werte- und Normensystem, eine gewisse Schichtzugehörigkeit, spezielle Verhaltens- und Lebensweisen oder das Erscheinungsbild. So sind viele Heranwachsende der Ansicht, dass genau diese jugendlichen Vergemeinschaftungen ihnen die Nähe und das Zugehörigkeitsgefühl vermitteln, welches sie in dieser Phase ihres Lebens suchen.

Natürlich ist die Pubertät an sich nicht der einzige Faktor, der eine Rolle bei der Entscheidung, einer Subkultur beizutreten, spielt. Auch der familiäre Hintergrund und einschlägige Erlebnisse in der Kindheit und frühen Jugend, sind natürlich von Bedeutung. Gerade in den Augen dieser Leute bietet eine Subkultur einen „Zufluchtsort“ und ein besseres Zuhause. Zudem können die Faszination der unbekannten Szenekultur, Gefallen an der speziellen Kleidung und Musik oder die Tatsache, dass die Familie oder die Freunde mit einer Gruppierung sympathisieren oder diese ablehnen, zum Eintritt in eine solche führen. Außenstehende empfinden Jugendszenen allerdings meistens als Bedrohung, da viele Vorurteile den Kontakt und damit das Verständnis füreinander erschweren.

Hinzu kommt der oftmals extreme, provokante und auffallende Kleidungsstil der Jungendlichen, der das Unverständnis und die Empörung anderer weckt. So entsteht eine gewisse Ignoranz gegenüber den Vertretern einer Subkultur. Nur wenige wollen wirklich wissen, was hinter dem Habitus der Jugendlichen steckt und so entwickelt sich eine ernstzunehmende Diskrepanz zwischen der Gesellschaft und den einzelnen Subkulturen. Junge Menschen lassen sich schnell von kreativen Ideen, Vorstellungen oder Versprechungen beeinflussen. Gerade Sub-kulturen wirken daher natürlich äußerst verlockend. Außerdem wollen junge Leute in ihrem Leben vieles ausprobieren und erleben, sie haben ständig Angst etwas zu verpassen und orientieren sich deshalb an ihrem Umfeld.

So kann der Weg in die Szene auch einfach unter dem Motto: „Mitnehmen was geht. Hauptsache es macht Spaß!“, stehen. Doch dabei findet auch die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit statt. Indem die Heranwachsenden so viel ausprobieren und erleben, lernen sie sich selber kennen, da sie feststellen, was sie ablehnen, was ihnen entspricht und mit was sie sich identifizieren können. So sollte man die Entscheidung der Jugendlichen, einer Szene beizutreten und die damit verbundenen Lebenseinstellungen immer ernst nehmen und sich bewusst sein, dass hinter diesem Habitus immer Gründe stehen. Das äußere Erscheinungsbild, die musikalischen Vorlieben oder Ähnliches machen nicht zwangsläufig den Menschen aus, der dahinter steht.

Ein Blick hinter die Fassade zeigt oft junge Menschen, die Träume und Hoffnungen haben, die sich in die Gesellschaft integrieren und sich offen und tolerant zeigen. Insbesondere aber haben sie den Mut, anders zu sein und etwas Neues auszuprobieren, unabhängig von der Meinung ihrer Familie oder Freunde. Oder wie es der französische Schriftsteller Andrè Gide vor beinahe hundert Jahren gesagt hat: „Man entdeckt keine neuen Erdteile, ohne den Mut zu haben, alle Küsten aus den Augen zu verlieren.“

Dieser Artikel wurde zuerst veröffentlicht in:
JiM – Das Magazin, Ausgabe 37, Dezember 2011.