Pohlmann
Ich hab mir das singen beim Fahrradfahren beigebracht

Während des Open Flair Festivals 2013 in Eschwege nahm sich Ingo Pohlmann die Zeit, sich mit unseren Mitarbeiterinnen Josi Hohlbein und Maria Reinhardt zu treffen.

Ingo Pohlmann wurde am 18.05.1972 in Rheda-Wiedenbrück (Nordrhein-Westfalen) geboren. Er ist ein deutscher Popsänger. Bekannt wurde vor allem durch seinen Song „Wenn jetzt Sommer wär“. Dieser stammt aus seinem ersten Album „Zwischen Heimweh und Fernsucht“, das 2006 veröffentlicht wurde. Mit dem Song „Mädchen und Rabauken“ holte er 2007 für Nordrhein-Westfalen den 5. Platz beim Bundesvision Song Contest. Auf seinem neuen Album kann man viele gefühlvolle und nachdenkliche Texten mit überraschenden neue Töne von Pohlmann finden. Es lohnt sich auf jeden Fall mal reinzuhören.

Wie gefällt es dir hier, beim Open Flair?

Pohlmann: Geil. Ich liebe Festivals. Früher war ich ein bisschen öfters unterwegs. Was ich jetzt immer noch regelmäßig mache ist „Hurricane“. Ich finde, wenn dieser Staub der in der Luft liegt, die ganzen dreckigen Leute und wenn dann auch noch die Sonne scheint ist das ein geiles, freies Gefühl, wo Zeit keine Rolle spielt. Wenn man viel arbeitet, braucht man irgendwann diese Urlaube, in denen man runter kommen muss, in denen man einfach diese Zeit braucht und auf Festivals komm ich sofort runter. Dieses ganze Gewusel an Menschen ist irgendwie entspannend. Manchmal. (lächelt) Für mich zu mindestens.

Bist du zum ersten Mal beim Open Flair dabei?

Pohlmann: Ja, zum ersten Mal.

Wie bist du zur Musik gekommen?

Pohlmann: Auf dem Fahrrad. Ich hab mir das singen beim Fahrradfahren beigebracht. Ich bin immer durch den Wald gefahren, wo mich keiner gehört hat, und dann so mit 16/17 Jahren konnte ich singen.

Wolltest du schon immer Musiker werden?

Pohlmann: Ja, ziemlich früh schon. Ich hab das aber nie so ernst genommen, da ich erst 9 oder 10 war. Meine Eltern sind zwar auch musikalisch, aber für sie kam das nie in Frage, dass ich mal Musiker werde. Da war zuerst die Mauerlehre und die Baufirma übernehmen. Das war erst Mal das Ding für mich und das habe ich auch fraglos angenommen. Den Traum, Musiker zu werden, hatte ich nicht ernst genommen und ich war auch noch nicht alt genug dafür, um das durchzusetzen. Mit 19/20 wurde das dann alles immer konkreter und ich habe auch gemerkt, dass meine Erfolgserlebnisse groß waren und Plattenfirmen anfragten. Als ich dann einen Plattenvertrag hatte, musste mein Vater ziemlich schlucken.

Schreibst du deine Lieder selber?

Pohlmann: Ich schreibe meine Lieder zu 90% selbst, aber zurzeit sehr viel mit meiner Band zusammen.

Sind diene Songs autobiografisch?

Pohlmann: Ja, aber sie handeln auch vom Leben meiner Freunde. In dem Lied „Der Junge ist verliebt“ geht es um einen Kumpel von mir. Wir haben uns jeden Montag in der Kneipe, in der ich gearbeitet habe, getroffen und irgendwann habe ich meine Gitarre auf den Tisch gelegt, ein Mikrofon und Verstärker hingestellt und seitdem haben wir dort Sessions gemacht. Mein Kumpel hat jede Woche eine neue Freundin gehabt und da hab ich zu ihm gesagt, dass er sich damit sein Herz kaputt macht. Eines Tages habe ich ihn knutschen gesehen und habe bemerkt, dass er anders war als sonst, das war halt so verliebtes küssen und daraufhin habe ich diesen Song geschrieben.

Wo war dein erster Auftritt?

Pohlmann (schaut auf unsere Schule): Also von euren Füßen muss man auf jeden Fall Fotos machen und dann nächstes Jahr fürs Festival ein Plakat erstellen. Wo hab ich denn mein Handy … (sucht, findet sein Handy und macht ein Foto von unseren Schuhen).

Ja, das waren fünf Tage harte Arbeit. (lachen)

Pohlmann: Entschuldigung. Wie war die Frage? (grinst)

Wo war dein erster Auftritt?

Pohlmann: Mein erster Auftritt war mit meiner ersten Band. Die machten so einen U2-Sound. Finde ich heute großartig, allerdings konnte ich damals nichts damit anfangen. Aber ich hatte keine andere Band bekommen … Man wurde da so reingeschoben und dann war ich mit 18 in dieser Band und wir hatten genau einen gemeinsamen Auftritt, von dem es Bilder gibt, auf denen ich mit langen Haaren, Lederhose und Lederjacke zusehen bin. Das sieht so schlimm aus! (lacht) Das war aber nicht so schön, da wir waren noch sehr ängstlich waren. Das ist wie beim Entjungfern, das kann schön sein, dass kann aber auch total doof sein. (lacht) man stellt sich das immer ganz schön vor und dann war es doch nicht so toll und es wir dann erst gut. Also bei mir war es so.  (lacht)

Was war dein schlimmstes/bestes Erlebnis auf der Bühne?

Pohlmann: Ich vergesse das immer. (grinst) Wenn ich aufgeregt und nervös bin, vergesse ich manchmal den Text. Heute Abend waren auch noch Leute aus Rheda-Wiedenbrück (Heimatstadt) da, die Schilder für mich hoch gehalten haben. Da dachte ich mir so „Hey, was macht ihr denn hier?“ Und dann sollte ich den Text singen und fing gleich am Anfang an, die zweite Strophe zu singen. Vor lauter Aufregung fiel mir aber die erste Strophe auch nicht mehr ein und dann musste mein Bassist kommen, weil er die erste Strophe mit mir mitsingt, und mir die erste Strophe vorsagen. Und das war auch noch ein Lied von der derzeitigen Single: „Manchmal wenn mir klar wird, dass mein Leben enden wird …“ Und ich hab es einfach nicht geschnallt. (lachet) Da bin ich heute auf der Bühne sehr rot geworden, aber das muss man alles weg lachen. (grinst)

Hast du ein bestimmtes Vorbild?

Pohlmann: Ich habe lange viele verschiedene Vorbilder gehabt, die alle aus dem Blues kommen. Ganz früher waren meine Vorbilder Cat Stevens, Bob Marley und Tracy Chapman. Und dann natürlich die ganze „Grunge Zeit“, Alice in Chains, Pearl Jam, Faith No More und Nirvana. Das war so meine Generation, denn als ich 23 war, da waren gerade Nirvana ganz weit vorne. Das war eine sehr geile Zeit. Aber der größte für mich ist seit langem Ben Harper. Er hat schon sieben Scheiben draußen und seine Musik ist einfach Magic.

Was war dein erstes Konzert auf dem du warst?

Pohlmann: Mein erstes Konzert, das war auf der Bandtour bei Michael Jackson.

Mit wem würdest du gerne mal ein Lied singen?

Pohlmann: Ich fände es geil, wenn der Sänger von „Radiohead“ in einen meiner Songs eine Chorstimme singen würde. Ich glaube, er ist – Studio zumindest – der größte Sänger der Welt.

Hast du Tattoos?

Pohlmann: Nein. Meine Kumpels hatten damals alle Tattoos und das waren noch diese 80er Jahre Tattoos, also ganz schlechte Tiger, Kreuze und nicht so ordentlich wie das heute ist. Das wollte ich auch nicht. Man sollte sich das auch genau überlegen, was man möchte. Ich habe schon so viele Leute gesehen, denen ihr Tattoo nicht mehr gefällt. Am besten ist es, wenn man sich mit einen Designer zusammen setzt. Und bloß nichts vom Papier nehmen. Man sollte sich etwas ausdenken, was wirklich sehr persönlich ist. Ein Freund von mir hat sich von seiner Freundin, die Designerin ist, einen Zauberwürfel in Herzform entwerfen lassen, der soll symbolisieren soll, dass die Gefühle, die dem Herz entspringen, geknackt werden müssen. Das ist wie ein Rätsel, das er sich selber aus gedacht hat und es sah tierisch gut aus. Das ist übrigens auch in meinem neuen Video „Atmen“ zusehen.

Welches Buch hast du als letztes gelesen?

Pohlmann: Mein letztes Buch war „Schwarzbuch WWF“. Das ist ein bisschen traurig, weil der WWF in diesem Buch sozusagen bloßgestellt wird. Es behandelt das Problem, dass so ein Verein, der die Natur schütz, wie der WWF, mit Firmen zusammen arbeitet, wie Coca Cola oder großen Umweltverschmutzern. Der Verein bekommt viel Geld von den großen Firmen und sie versuchen es so aussehen zu lassen, dass man mit den Mächtigen Geschäfte machen muss, um sie zu der richtigen Einstellung zu bewegen. Dies führt aber dazu, dass sie nicht konsequent sind, die ganze Zeit Kompromisse machen und viel Geld verdienen, welches sie wiederum nicht sinnvoll anlegen. Also dieses Buch ist schwierig und ich möchte jetzt auch nicht sagen, dass der WWF schlecht ist, da sie auch einige sehr gute Projekte haben. Aber man kann so ein bisschen hinter die Kulissen schauen.

Welcher ist dein Lieblingsfilm?

Pohlmann: Mein Lieblingsfilm? Da hast du mir die schlimmste Frage gestellt, weil jetzt könnte ich euch so voll quatschen. (grinst und sagt zu seinem Bandkollegen, der gerade rein kommt: „Die beiden haben mich gerade fatalerweise nach meinem Lieblingsfilm gefragt.“ Bandcollege: „Oh Mist. Was habt ihr Morgen vor? Könnt ihr ausschlafen?“ Lacht und geht wieder.) Es gibt so viele schöne Filme. Das ist wie mit Musik und dann auch noch Lieblingsfilm. Ich sag jetzt mal „Blade Runner“, es gibt schönere, aber das ist mein Lieblingsfilm. (lacht)

Was versteckst du unter deinem Bett?

Pohlmann: Staub, Nasenspray, Nasensprayhüllen – ich muss jeden Abend einmal Nasenspray, dann kann ich besser schlafen – Taschentücher und Stifte.

Vom 27.09. bis zum 18.10.013 konnte man Pohlmann in diesem Jahr live auf seiner Tour durch Deutschland zu sehen. Und für alle, die das verpasst haben, und die gerne mal ein Konzert von ihm Besuchen möchten, sind hier noch ein paar weitere Termine:

13.03.2014          Dresden

14.03.2014          Gera

15.03.2014          Essen

18.03.2014          Lübeck

 

Text und Fotos: Josi Hohlbein und Maria Reinhardt

Erstveröffentlichung in JiM – Das Magazin, Ausgabe Dezember 2013