Nazi-Bauten in Berlin
Der (Alp-)Traum von Germania: Nationalsozialistische Architektur

Alexandra Wallbraun und Gabriel Dörner nahmen im März an einer Exkursion des Anne- Frank-Zentrums Berlin zum Thema „Nationalsozialistische Architektur in Berlin“ teil. Über Eindrücken und Erfahrungen, die sie im Rahmen dieses dreitägigen Seminars sammeln konnten, berichten sie hier.

In Berlin gibt es noch heute einige Gebäude, die in der NS-Zeit erbaut worden sind. Damals war geplant, dass ganz Berlin zu einem nationalsozialistischen Machtzentrum ausgebaut werden sollte, in dem es vor monumentalen Angebergebäuden nur so strotzte! Es gab einen Plan, dass diese Stadt zu einer sogenannten Welthauptstadt mit dem Namen „Germania“ erweitert werden sollte. Albert Speer war Hitlers Stadtplaner, der diesen wahnsinnigen Plan umsetzen sollte. Berlin sollte mit einer riesigen Rissachse durchzogen werden, an der sich die Monumentalbauten reihten. Außerdem wurden Entwürfe zur Umgestaltung des Gleis- und U-Bahnnetzes erstellt.

Nur Einiges davon wurde auch umgesetzt, zum Beispiel das Gebäude der Deutschen Reichshauptbank. Es steht in der Unterwasserstraße gegenüber der Museumsinsel. 1933 entschied Hitler, das Haus zu bauen. Die alte Reichsbank gegenüber wurde abgerissen, daneben ein weitaus größerer Bau mit mehreren Innenhöfen errichtet. Die Gänge sind insgesamt acht Kilometer lang, der längste Flur ist 240m lang! In drei Tiefgeschossen waren Tresor- und Sicherheitstrakte untergebracht. In der DDR-Zeit tagte in diesem kolossalen Haus das Zentralkomitee der SED. Und es steht bis heute. Nun findet man  darin einen teil des Auswärtigen Amtes.

Ein weiteres umgesetztes Monumentalgebäude ist der Flughafen Tempelhof. Er befindet sich ziemlich zentral, am unteren Ende der  geplanten „Germaniaachse“. Dieses riesige Haus, das für damalige Verhältnisse 30mal überdimensioniert war, ist so überwältigend, dass man sich regelrecht eingeschüchtert vorkommt, wenn man davor steht. Brauner Muschelkalk bedeckt die sehr hohen Wände, alle Gebäudekanten sind starr, hoch und gerade. Hunderte Quadratmeter Fläche gibt es in diesem riesigen Haus, die nicht mal alle genutzt wurden. Vieles wurde niemals fertig gestellt. Die Dimension sollte bloß zum Einschüchtern dienen und von Deutschlands schier unüberwindbarer Macht und Größe zeugen. Als Flughafen wird das Areal nun schon seit einigen Jahren nicht mehr genutzt.

Das Haus steht größtenteils leer. Trotzdem wird es permanent geheizt, damit es nicht verfällt und die Rohre zufrieren. Ob es dann im Sommer 50 Grad sind, interessiert niemanden. Manchmal finden dort noch Veranstaltungen und Messen statt. Man kann allerdings auch an einer Führung teilnehmen und das Gebäude bestaunen. Man betritt die Gänge wie ein Flugzeugreisender, der eincheckt, zum Hangar geht und in sein Flugzeug einsteigen will. Sobald man auf dem riesigen, mit einem frei schwebenden Dach überspannten Rollfeld steht, kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus. Man kann in scheinbar kilometerlangen Gängen und Bürofluren wandeln. Man schlüpft auch in die atemberaubende Kellerwelt mit einem unterirdischen Schienen- und Transportsystem und alten Bunkern. Sogar ein Chemielagerraum ist zu bestaunen, in dem es wochenlang gebrannt hatte und den man danach erst entdeckte. Bis heute ist man nicht sicher, was darin gelagert wurde.

Ein weiteres Gebäude, das nach Speers Entwürfen gebaut wurde, ist das Olympiastadion. Außerdem kann man noch in der Wohnsiedlung „Krumme Lanke“ eine bauliche Spur der Nazis bestaunen: in den Häusern, die hier stehen, durften früher nur Offiziere wohnen. Heute werden sie ganz normale Einfamilienhäuser genutzt.

In Berlin gibt es also noch immer viele Spuren der Nazis – in den großen Bauten. Doch nur wenn man das weiß, entdeckt man sie auch. Man kann nicht genau festlegen, welches Haus typisch Naziarchitektur ist. Es gab keine „Architekturepoche der Nationalsozialisten“, die Architektur war nur Ideologieträger. Große Klotzbauten werden auch heute noch gebaut! Wichtig sind immer die damit verbundenen Ziele und die Ideologie. Bei den Nazis waren das: Mit Unüberwindbarkeit Angeben und zur Weltmacht streben.

Das Anne-Frank-Zentrum in Berlin bietet regelmäßig kostenlose Seminare und Projekte in verschiedenen Städten zu unterschiedlichen Themen an. Mehr Informationen auf: www.annefrank.de, dann „Wanderausstellungen“, „Demokratiekompetenz vor Ort“, „Seminare für Jugendliche“.

Dieser Artikel wurde zuerst veröffentlicht in:
JiM – Das Magazin, Ausgabe 34, Juni 2011.