Nase voll?
Stadtrat von Mühlhausen will kein Jugendparlament

Seit einem knappen Jahr engagieren sich Jugendliche aus Mühlhausen für ein Jugendparlament in der Stadt. Sie schrieben eine Konzeption und eine Satzung. Sie führten Umfragen durch und sammelten Unterschriften. Sie trafen sich mit Politikern aller im Stadtrat vertretenen Parteien, die den jungen Leuten ihre Unterstützung zusicherten. Sie erarbeiteten mit Hilfe des Beigeordneten der Stadtverwaltung, Dr. Bruns (SPD), eine Beschlussvorlage für die Anerkennung durch den Stadtrat. Und sie wiesen immer wieder darauf hin, dass sie KEIN Schülerparlament wollten! Ende Mai entschied der Stadtrat, in Mühlhausen ein Schülerparlament zu installieren. JiM – Das Magazin sprach mit Jugendlichen der Initiative für ein Jugendparlament in Mühlhausen.

Ihr engagiert euch seit langem für ein Jugendparlament in Mühlhausen (JuPa). Warum?
Wir wollen Mühlhausen attraktiver und lebenswerter für Jugendliche machen. Ein Schülerparlament wird unseren Anforderungen nicht gerecht, da es ein viel zu niedriges Eintrittsalter mitbringt. Wir sind nämlich der Meinung, dass Grundschüler noch nicht die nötige bzw. vorausgesetzte politische Meinung mitbringen, die für ein effektives Vorankommen notwendig ist. Der Stadtrat hat unsere Beschlussvorlage nicht akzeptiert, weil er gedacht hat, dass wir in einem Schülerparlament besser aufgehoben sind und sich keine „elitären Gruppen“ bilden können. Letztendlich werden die Vertreter von allen Schülern Mühlhausens gewählt. Fraglich ist jedoch, ob sich auch wirklich jeder, der gewählt wird, engagiert. Das wagen wir zu bezweifeln. Die größte Unterstützung bekamen wir von den Grünen und von der Linken. Allerdings hat es für eine Mehrheit im Stadtrat nicht gereicht, was sehr traurig ist. Denn man sollte ehrenamtliches Engagement von Jugendlichen nicht stoppen bzw. bewusst formen oder es für Jugendliche unattraktiv machen. Wir werden weiter dranbleiben und für unser Vorhaben kämpfen.

Ende Mai hat der Stadtrat entschieden, in Mühlhausen ein Schülerparlament zu installieren. Das war genau das, was ihr nicht wolltet. Was habt ihr gegen ein Schülerparlament?
Die Tatsache, dass die Schülersprecher mehr oder weniger gezwungen werden, daran teilzunehmen. Es werden auch nicht alle Jugendlichen erfasst. Was ist denn mit den Personen, die unter 18 Jahre alt sind, aber nicht in die Schule gehen. Die werden in einem Schülerparlament gar nicht berücksichtigt. Es ist uns klar, dass sich der Großteil dieser Personen nicht engagieren würde, dennoch ist es falsch, ihnen nicht die Möglichkeit dazu zu geben.

Der Beigeordnete der Stadtverwaltung, Dr. Bruns (SPD), hat euch bei der Formulierung einer Beschlussvorlage für den Stadtrat geholfen, in der es um ein Jugendparlament ging. Warum wurde diese Vorlage vom Stadtrat abgelehnt?
Es gab mehrere Hauptstreitpunkte. Einer ist das Alter gewesen. Wir haben die Altersgrenze von 14 bis 21 Jahre gezogen und somit die Grundschüler außen vor gelassen, weil wir denken, dass sich Personen unter 14 kaum für Politik interessieren. Aber wir wollten, dass es sich das Jugendparlament zur Aufgabe macht auch Möglichkeiten zu finden, um die Jüngeren mit einzubeziehen. Die Stadträte wollten das Alter auf 18 Jahre begrenzen. Parlamentarier sind da meist eigen und meinen, wer das entsprechende Alter hat, kann sich doch in den Stadtrat wählen lassen. Ein Schülerparlament bedeutet auch weniger organisatorischen Aufwand. Schülersprecher und deren Stellvertreter werden so oder so gewählt. Aber bei unserem Jugendparlament hätte man die Daten aller Jugendlichen in Mühlhausen erfassen und eine weitere Wahl organisieren müssen. Außerdem hatten einige Fraktionen ein Problem damit, dass wir die Grundschüler eben nicht dabei haben.

Ihr habt mit allen im Stadtrat vertretenen Parteien gesprochen und für euer Projekt geworben. Viele Politiker haben euch ihre Unterstützung zugesichert. Letztendlich hat sich der Stadtrat aber mehrheitlich gegen euer Projekt entschieden. Was denkt ihr, warum die Stadträte anders entschieden haben?

Eine Gruppe von Schülersprechern, die mehr oder weniger zu einem Schülerparlament gezwungen werden, ist natürlich bequemer, als eine Gruppe von Jugendlichen, die sich für ein Jugendparlament interessieren. Es liegt durchaus im Interesse der Stadträte, dass dieses Schülerparlament vor den Baum geht. Es ist ja schließlich das zweite seiner Art. So könnte man, wenn sich irgendwann noch einmal eine Gruppe finden würde, um eine ähnliche Beteiligungsmöglichkeit für Jugendlichen zu schaffen, argumentieren, dass es die Jugend ja anscheinend nicht will.

Welche Parteien oder Politiker haben euer Vorhaben am meisten unterstützt?
Die Fraktion DIE LINKE. und die Fraktion Pro Mühlhausen/Grüne haben uns unterstützt.

Und von welchen Parteien oder Politikern seid ihr am meisten enttäuscht?
Auf der einen Seite von der CDU, da sie uns nicht einmal die Möglichkeit gegeben haben, in ihrer Fraktion zu unserer Idee Stellung zu nehmen. Von der SPD auch, weil die Fraktion einfach für Sozialdezernent Dr. Bruns gestimmt hat, der SPD-Mitglied ist. Am meisten aber sind wir von Dr. Bruns selbst enttäuscht. Wir haben uns mehrfach mit ihm getroffen. Doch anstatt uns bei diesen Treffen auf die Punkte unserer Satzung aufmerksam zu machen, die in nicht gehen, legte er diese in der Stadtratsitzung dar und ließt uns so ins „offene Messer laufen“. Das ist nicht gerade die feine englische Art!

Viele von euch besuchen das Gymnasium. Nun gibt es Politiker, die euch vorwerfen, dass ihr aufgrund eurer Schulbildung eine elitäre Gruppe seit, die nicht alle Jugendlichen in der Stadt erreichen könnten. Außerdem wird behauptet, ihr engagiert euch nur für das Jugendparlament, um Karriere in der Politik zu machen. Was sagt ihr dazu?
Das ist absoluter Schwachsinn. Eine Gruppe von Jugendlichen, die sich für Politik interessiert, ist doch noch lange keine elitäre Gruppe. Und mal ganz ehrlich: Ist eine Gruppe von Schülersprechern denn nicht eher eine elitäre Gruppe als interessierte Jugendliche? Ich meine, dass unsere Idee sehr „gymnasial-lastig“ sein würde, liegt auf der Hand, aber das liegt sicher auch Interesse der Sache. Es ist klar, dass sich Schüler an Gymnasien eher für Politik interessieren, als Regelschüler. Wir wollen die Schüler, nicht wie im anderen Vorschlag, zu etwas zwingen, sondern wollen interessierten und engagierten jungen Menschen die Möglichkeit geben, sich für die Jugend einzusetzen.

Hat die Entscheidung des Stadtrates Einfluss auf euer weiteres politisches Engagement?
Ein klein wenig schon. Wir werden uns nicht in dem bisher erarbeiteten Rahmen als Jugendparlament engagieren und Politik machen, sondern als Initiative. Alles Andere bleibt beim Gleichen.

Wie geht es jetzt weiter?
Wir werden auf jeden Fall nicht aufgeben. Unser Ziel ist es, unabhängig von Stadtrat und seinen Gremien, als politischer Jugendverband Politik zu machen.

Informationen zur Initiativgruppe Jugendparlament Mühlhausen gibt´s im Internet unter: www.jpmmhl.jimdo.com.

Dieser Artikel wurde zuerst veröffentlicht in:
JiM – Das Magazin, Ausgabe 34, Juni 2011.