Gesuche
Zum Verständnis heutiger Berufsbezeichnungen

Country Manager, Sales/Key Account Manager, Senior Publisher Sales Manager, Trainee und Android Entwickler – wo sind eigentlich die schönen ach so leicht verständlichen Berufsbezeichnungen von einst? Bäckereifachverkäuferin, DiplomÖkonom, Hausmeister – nichts da! Heutzutage sind das Facility Manager!

Schnell bekommt man den Eindruck, ein zusätzliches Studium zum Verstehen der Berufsbezeichnungen absolvieren zu müssen. Englische Songtexte schlecht mitzusummen reicht nicht mehr aus, man sollte einem chinesischen Geschäftspartner mindestens den Fall der Mauer mit allen politischen Hintergründen und das Kuchenrezept der Oma erklären können.

Dafür spart man beim Schreiben der Bewerbung das Papier und den Fotografen. Bewerbungsschreiben werden nämlich vorrangig digital entgegengenommen und wegen eventueller Diskriminierung wird auch gern mal auf ein Foto verzichtet.

Wer aber dennoch nicht mindestens ein Foto in ein Dokument einfügen kann, hat allerdings wenige Chancen und sollte über Selbstständigkeit nachdenken. Wer neben dem Studium nicht mindestens drei Fremdsprachen und zwölf Praktika absolviert hat, kann sich mit den eben angesprochenen Kollegen zusammensetzen und über eine GbR nachdenken.

Ob man eingeladen wird oder nicht, hängt also vom Glück und vom sprachlichen Geschick ab. So oder so ähnlich wirkt der Markt derzeit auf mich.

Ähnliches spielt sich in der Hauptstadt auf dem Sektor Wohnungsmarkt ab. Es ist verwunderlich, dass bei den Besichtigungen, wo sich etwa 30 Studenten in einem kleinen Zimmer gegenseitig auf die Füße treten, nicht jemand sein neues Mac Book Pro aus der Tasche holt, um sein Leben in Powerpoint Präsentation dem jeweiligen Immobilienmakler entgegenzuwerfen. Wer seine Unterlagen nicht augenblicklich dabei hat oder nicht wenigstens mit dem Makler ins Gespräch kommt, braucht nicht zu hetzen, höchstens zum nächsten Wohnungsbesichtigungstermin.

Im Radio posaunt man unterdessen, wie zahlreich die Stars in die Stadt pilgern, weil es hier eine so kreative und ansteckende Szene gibt. Stare und Meisen sieht man hier allerdings wenige. Da geht man besser in den Zoo. Insofern man Zeit hat und nicht Bewerbungen schreibt oder Präsentationen baut, um zu präsentieren, dass man der Beste für diese Wohnung ist.

Unsere Autorin:
Charlotte Klaus

Dieser Artikel wurde zuerst veröffentlicht in:
JiM – Das Magazin, Ausgabe 35, September 2011.