Gekündigt, weil er als Bürgermeister kandidierte?
Interview mit Norbert Mros

Norbert Mros gehört sein vielen Jahren der Partei Die Linke bzw. deren Vorgängerorganisationen an. Er wurde von den Bürgerinnen und Bürgern der Kreisstadt und des Kreises mehrfach in den Stadtrat von Mühlhausen und den Kreistag des Unstrut-Hainich-Kreises gewählt. Er war in beiden Gremien unter anderem als Fraktionsvorsitzender sowie in verschiedenen Ausschüssen, Aufsichts- und Verwaltungsräten tätig. Seit vielen Jahren arbeitete er als Wahlkreismitarbeiter für Landtagsabgeordnete der Partei. Als er sich im Urlaub befand, führte seine Kreistagsfraktion eine Wahl durch, bei der er nicht wieder als Fraktionsvorsitzender gewählt wurde. Während seines Urlaubs wurde ihm von seinem Chef, dem Landtagsabgeordneten Jörg Kubitzki, schriftlich gekündigt. Kurz darauf wurde er gegen den Willen seiner Partei, die eine andere Kandidatin vorgeschlagen hatte, von den Kreistagsmitgliedern zum 2. Beigeordneten des Landrates gewählt.

Die Wahl der neuen Fraktionsspitze der Linkspartei fand statt, als Sie im Urlaub waren. Wussten Sie vor Ihrem Urlaub von der Neuwahl und sind trotzdem gefahren oder wurde der Termin von Ihren Genossen bewusst auf den Zeitpunkt Ihrer Abwesenheit gelegt.
Ich wusste nichts von dem Termin. Davon habe ich im Urlaub aus dem Internet erfahren. Eine Fraktionssitzung, die nach meinem Urlaub stattfinden sollte, ist ohne Rücksprache mit mir und im Wissen, dass ich noch im Urlaub bin, um eine Woche vorverlegt worden. Mit ihr wurde gleichzeitig ohne mein Wissen zur Neuwahl des Fraktionsvorstandes eingeladen, bei verkürzter Ladungsfrist. Eine Neuwahl des Vorstandes – gut zwei Jahre nach der Wahl des Kreistages und zwei Jahre vor der Neuwahl des Kreistages – sollte auf Anregung des Kreisvorsitzenden schon stattfinden. Allerdings hatte sich der Kreisvorstand auf eine Zeit nach der Beigeordnetenwahl verständigt. Der Termin wurde dann aber einfach vorverlegt.

Wo liegen aus Ihrer Sicht die Gründe für Ihre Abwahl als Fraktionsvorsitzender und Ihre Kündigung als Wahlkreismitarbeiter?
Über die Gründe darüber, dass ich als Fraktionsvorsitzender nicht wieder gewählt wurde, kann ich nur spekulieren, weil ich ja bei der Beratung nicht dabei war. Es gab und gibt natürlich Handlungen und Entscheidungen, die nicht immer auf Verständnis aller stoßen. Manchmal liegt es auch an mangelnder umfassender Information. Mein Arbeitsverhältnis war, wie das bei allen Wahlkreismitarbeitern der Fall ist, bis zur kommenden Landtagswahl, die im Herbst 2014 stattfinden wird, befristet und konnte jederzeit unter Einhaltung der entsprechenden Fristen gekündigt werden. Meiner Ansicht nach liegen die eigentlichen Gründe dafür darin, dass ich mich auf das Amt des Mühlhäuser Bürgermeister beworben habe und zwar gegen den Willen unseres Kreisvorsitzenden und meines Arbeitgebers.

Nur zur Erinnerung: Sie hatten sich für das sehr zeitig ausgeschriebene Amt des neu zuwählenden Bürgermeisters beworben. Der alte Mühlhäuser Oberbürgermeister (OB), Herr Dörbaum, hatte es mit Hilfe eines Erfurter Rechtsanwalts innerhalb weniger Stunden geschafft, Ihre Bewerbung unter nicht ganz nachvollziehbaren Gründen zu verhindern. Außerdem wollte er den neuen Bürgermeister unbedingt noch vor der Direktwahl des neuen OBs vom Stadtrat wählen lassen. Damit waren etliche Mühlhäuser Stadträte, einige auch aus der Linkspartei, aber nicht einverstanden und die Wahl drohte zu platzen. Erst nachdem sich ihr (damaliger) Chef, Herr Kubitzki, der für ihre Partei auch als OB-Kandidat ins Rennen ging, für die Wahl ausgesprochen hatte, konnte diese erfolgen und die neue Bürgermeisterin gewählt werden. Was denken Sie, warum Herr Dörbaum gegen Ihre Bewerbung war?
Formal kann jede Bewerbung als nicht ausreichend gedeutet werden. Hier war es angeblich mangelnde Erfahrung in der kommunalen Verwaltung. Allerdings bin ich ihm als kritisch mitdenkender, nachfragender und handelnder Stadtrat bekannt. So jemanden hat man nicht gern in der Nachfolge. Wobei ich immer denke – und ich glaube so handelt auch Dr. Bruns, der neue OB – nicht das Zurückschauen ist wichtig, sondern das Nachvornschauen.

Warum wollte Die Linke, die sonst immer Basisdemokratie einfordert, in diesem Fall den neuen Bürgermeister bereits vor der Direktwahl des neuen OBs bestimmen?
Diese Frage trifft nicht den Kern. Der OB-Kandidat (Jörg Kubitzki, Anm. d. Red.) wollte die Wahl, obwohl ihm aus Landessicht dazu geraten wurde, sie schon aus Demokratiegründen zu verschieben.

Eigentlich versucht ja jede Partei, immer soviel Ämter und Positionen wie möglich mit eigenen Kandidaten zu besetzen. Warum wollte Die Linke in Mühlhausen keinen eigenen Bürgermeisterkandidaten?
Auch hier trifft wohl eher die Frage zu „Warum wollte der OB-Kandidat Jörg Kubitzki keinen eigenen Bürgermeisterkandidaten?“ und wieso hat er große Teile der Fraktion davon überzeugt. Er meinte, dass zwei Linke die Stadt nicht „führen“ bzw. leiten sollten. Dies würden die Bürger nicht wollen und damit würde die OB-Wahl beeinflusst.

Warum wurde Ihnen die Bewerbung für das Amt des Bürgermeisters von Ihren Parteifreunden so übel genommen?
Weil ich mich mit der Beibehaltung der Bewerbung dem OB-Kandidaten widersetzt habe und den oben genannten Gründen angeblich Vorschub geleistet hätte.

Ihre Partei wollte Sie als Landratskandidaten gegen den Amtsinhaber Herrn Zanker (SPD) ins Rennen schicken. Warum haben Sie abgelehnt?
Die Überlegung zu einem eigenen Landratskandidaten wurde erst Ende letzten Jahres ins Gespräch gebracht, nachdem wir fast sechs Jahre lang den Landrat kritisch begleitet haben und ihn meist stärker als seine eigene Partei unterstützt hatten. Trotzdem gab sein Handeln auch Grund zur Unzufriedenheit. Die reicht aber meiner Meinung nicht aus, linken Wählern zu erklären, warum wir nun plötzlich gegen den Landrat Harald Zanker sind.

Ihre Kandidatur hätte vielleicht etliche Wähler davon abgehalten, für Herrn Zanker zu stimmen. Das hätte es zu einem weiteren Wahlgang oder zum Sieg des CDU-Kandidaten führen können. Kaum vorstellbar, dass das im Interesse der Linkspartei sein soll, die doch zu den nächsten Kreistagswahlen gemeinsam mit der SPD eine Rot-Rote-Mehrheit erreichen möchte. Welche politische Konzeption steckt Ihrer Meinung nach hinter der Entscheidung ihrer Partei für eine Gegenkandidatur?
Dies sehe ich auch so. Deshalb habe ich zu bedenken gegeben, wir müssen bei der Aufstellung einer Kandidatin oder eines Kandidaten auch bis zu einer wahrscheinlichen Stichwahl weiterdenken und dann auch wissen, was wir „unseren“ Wählern in einem solchen Fall empfehlen.

Herr Kubitzki ist mit hohen Erwartungen in den Wahlkampf um das Amt des Oberbürgermeisters gegangen, hat letztendlich aber nur den dritten Platz belegt. Es sieht so aus, als würde Sie Herr Kubitzki jetzt für seine Wahlniederlage verantwortlich machen. Fühlen Sie sich als Sündenbock?
Ich fühle mich für die „Wahlniederlage“ nicht verantwortlich und sollte ich einen Anteil daran haben, dann sicher nicht zum großen Teil allein. Ich habe den Wahlkampf organisiert und viele mögliche Termine und Veranstaltungen vorbereitet. Inhaltlich hat sich der OB-Kandidat fast ausschließlich mit der Fraktionsvorsitzenden Juliana Thormann und ihrem Stellvertreter Dirk Anhalt abgestimmt. Meine Meinung war nicht mehr wirklich gefragt.

Herr Mros, haben Sie, nach all dem, was Sie gerade erlebt haben, nicht darüber nachgedacht, aus der Partei Die Linke auszutreten?
Ich vertrete linke Positionen kommunal seit 20 Jahren, also nach der Wende und beabsichtige dies auch weiterhin zu tun, weswegen ich auch keinen Grund sehe, aus der Partei Die Linke auszutreten. Ich bleibe weiterhin Mitglied des Kreistages und des Stadtrats in Mühlhausen. Ich werde dies auch als 2. Ehrenamtlicher Beigeordneter des Landrates tun. Für die Wahl habe ich keine meiner Positionen „verkauft“. Es wurde von mir auch weder verlangt noch erwartet. Ganz gegen Unterstellungen aus meiner Partei.