Ein Mann und 60 Instrumente
Interview mit "Freizeitkantor" Kai Grämer

JiM – Das Magazin sprach mit Kai Grämer, der in seiner Freizeit auf der Orgel in der Marienkirche spielt, über Connections, moderne Musik auf einem alten Instrument und 4.000 Pfeifen in Mühlhausen.

Orgelspielen ist nicht gerade das, was Jugendliche in ihrer Freizeit normalerweise machen. Was findest Du daran so toll?
Das ist gar nicht so einfach zu beantworten. Ich denke es ist das Zusammenspiel von Atmosphäre, eigenen Emotionen und den grenzenlosen Möglichkeiten Melodien zu spielen, zu interpretieren bzw. seinen Gefühlen freien lauf zu lassen. Gefühle über die Finger auszudrücken ist nicht leicht. Es gibt viele schöne Instrumente, auf denen das gelingen kann, aber für mich ist die Orgel eines der schönsten Instrumente um meinen Emotionen freien Lauf zu lassen. Dazu kommt das Feeling, allein die „Macht“ über 4000 Pfeifen zu haben und alle mit einmal spielen zu können und das in einer der größten Kirchen in Thüringen.

Was hörst Du denn in Deiner Freizeit so für Musik?
In meiner Freizeit ist die Orgelmusik eher nicht vertreten. Ich höre vor allem Balladen (mit Klavier), Filmmusik, R&B, Alternative und einige Songs, die aktuell im Radio/Internet zu hören sind. Bands und Solokünstler die ich gerne höre, sind: Chris Drew (NeverShouldNever), Roman Lob, Muse, Green Day, Nirvana, Coldplay und A Smile from the Trenches.

Wie bist Du zum Orgelspielen gekommen?
Zum Orgelspielen bin ich erst spät gekommen. Im Religions-Unterricht bearbeiteten wir das Thema „Musik in verschiedenen Epochen“. Dabei behandelten wir auch das große Te Deum aus der Kathedrale von Notre Dame de Paris. Das hat bei mir eine Sicherung durchbrennen lassen. So bin ich der Orgel immer näher gekommen. Anfangs habe ich auf einer kleinen kaputten Orgel gespielt. Dann kam ich durch „Connections“ zu Oliver Stechbart, dem Kreiskantor, in die Divi-Blasii Kirche. „Besser kann es nicht werden!“, dachte ich. Wurde es aber doch. Im Sommer 2010 kam ich als Konzertregistrant in die Marienkirche zu Denny Ph. Wilke, dem Mühlhäuser Stadtorganisten. Dank der Erlaubnis von Thomas T. Müller, dem Direktor der Mühlhäuser Museen, darf ich immer an der Orgel spielen, wenn die Kirche offen ist. Zu den bisherigen Highlights zählen dabei unter anderem, dass sich in der Marienkirche den international bekannten Konzertorganisten und Titularorganist aus Notre Dame, Olivier Latry, den Kölner Domorganisten Winfried Bönig und den Organisten des Leipziger Gewandhauses Michael Schönheit kennenlernen durfte.

Wir sitzen hier direkt vor der beeindruckenden Orgel der Mühlhäuser Marienkirche. Was macht für Dich den besonderen Reiz dieser Orgel aus?
Das Schöne an der Sauer-Orgel ist die große Vielfalt der 60 Register (Instrumente) zu haben. Viel Bass in allen Manualen, aber auch safte hohe Töne. Das Hände und Füße das Schlachtschiff so richtig Bewegung bringen können ist einmalig. Die gegensätzlichen Charaktere der Register: laut und aggressiv zum Einen, leise und zart zum Anderen. Oder laut und weich bzw. leise und schrill. Filmmusik, Romantisches, Rockiges, es gibt kaum Genres, die nicht auf der Orgel zu spielen sind.

Welche Kenntnisse und Fertigkeiten sind notwendig, um ein so großes Instrument überhaupt bedienen zu können?
Ich denke, das Wichtigste ist das Interesse. Je höher das Interesse ist, umso leichter fällt es einem auch sich mit dem Instrument auseinanderzusetzen. Man sollte leichte Grundkenntnisse in der Harmonielehre haben und auch nicht so schnell Lampenfieber bekommen, weil die Kirche immer von vielen Gästen besucht wird. Man sollte wissen, wie die 60 verschiedenen Register klingen, aber auch die Ergebnisse der kombinierten Register kennen und wissen, wie man das bei der Orgel einstellen kann. Zwei Hände und zwei Füße sind ebenfalls von Vorteil.

Ich glaube, jetzt stapelst Du etwas tief. Aber davon kann sich ja jeder selbst überzeugen. Wie oft kann man Dich hier, an der Orgel in der Marienkirche, antreffen?
Ich bin nicht regelmäßig in der Kirche, um dort zu spielen. Manchmal bin ich sonntags da oder wenn man mich anspricht, dann versuche ich was zu organisieren.

Was treibst Du so, wenn Du nicht gerade auf der Orgel spielst?
Zurzeit mache ich gerade eine Ausbildung zum Erzieher. Aber wenn ich Freizeit habe dann treffe ich mich mit Freunden, gehe gerne in Erfurt shoppen, spiele Klavier, fahre ab und zu mal weg und leite Kinder und Jugendliche beim Spielmannszug als Übungsleiter an.