Die weitere Verwandlung des Blicks
Erzählungen von Andreas Montag

Dieser anspruchsvolle Erzählband fordert vom Leser Aufmerksamkeit, ja fast so etwas wie persönliche Zuwendung zu den Helden und ihren Geschichten, die in der späten DDR angesiedelt sind.

Eigentlich wollen sie einfach nur leben, akzeptiert werden, glücklich sein in ihrer kleinen Welt. Wer diese Jahre bewusst erlebt hat, wird sich erinnern, wird eventuell sagen: „Ja, so war es“ oder “Auch das hat es gegeben“.

Elf Kurzgeschichten hat Andreas Montag geschrieben und lange in der Schublade aufbewahrt. Entstanden sind zehn von ihnen vor der Wende, zwischen 1987 und 1989 in Leipzig und Halle. Nachträglich hat der Autor die letzte Erzählung „Warten auf Schnee“ angefügt, vom Jahreswechsel 1989/1990.

Andreas Montags Alltagsgeschichten hatten es im real existierenden Sozialismus geschafft, für eine Veröffentlichung geeignet zu erscheinen. Der Mitteldeutsche Verlag hatte das Buch für Anfang 1990 eingeplant. Doch ironischer Weise verhinderte ausgerechnet die Wende den Druck. Buchhändler signalisierten: Leute aus dem Osten wollen keine Geschichten aus dem Osten mehr lesen.

Montag hatte das Manuskript aufbewahrt, ohne es jemals einem anderen Verlag anzubieten. Erst siebzehn Jahre nach der Wende sind die Erzählungen erschienen. Und das ist gut so, weil sie es einfach nicht verdienen, ungelesen in einer Schublade zu bleiben.

Die Menschen aus der DDR werden Vieles nachvollziehen können. Die Nachgeborenen oder zumindest jene, die im Herbst 1989 noch nicht zur Schule gingen, werden berechtigte Fragen stellen.

So werden sie vielleicht bei der wunderbaren Geschichte „Cornelia“ nicht verstehen, weshalb es eine besonders großzügige Geste der Behörde war, einer jungen, allein lebenden Lehrerin eine achtundzwanzig Quadratmeter große Zwei-Zimmer-Wohnung zuzubilligen, mit Küche, Bad und Innen-WC. Eindeutig zu groß für eine Person! Und ebenso werden sie fragen, was denn an Cornelias Handeln so außergewöhnlich ist. Wohl geplant fährt sie an einem Wochenende mit dem Zug in die größere Stadt. Alles ist bestens vorbereitet. Sie will ein Kind, aber keine traditionelle Vater-Mutter-Kind-Familie. Der Mann, der nach ihrem Wunsch der biologische Vater sein soll, hat sich ihr vorgestellt als unfähig, eine Partnerschaft zu ertragen. Aber er bringt all das mit, was sie erwartet: Gesund, intelligent, kein Trinker. Wiedersehen werden sie sich nicht. Außergewöhnlich aus heutiger Sicht ist lediglich das Alter der Frau, denn Cornelia ist Fünfundzwanzig.

Der Autor hat „Die weitere Verwandlung des Blicks“ seinen Kindern gewidmet.

Christine Bose
Dipl.-Journalistin

 

Andreas Montag
Die weitere Verwandlung des Blicks
Erzählungen
160 Seiten, Leinen, mit Schutzumschlag
ISBN 978-3-89812-439-3
Preis: 16,00 €
Mitteldeutscher Verlag