Bulimie des Lernens oder wie mir schlecht wurde
Der Wahnsinn beim Studium

Bologna sei Dank! Ein politisches Vorhaben zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Hochschulwesens bis zum Jahr 2010. Aha! Leicht verständlich sollte es sein, Mobilität fördern, die Attraktivität steigern. Aha!

Naja irgendwie sind Ideen im Ansatz ja immer erst einmal gut, schwierig wird es letztlich immer in der Umsetzung. Gegner sind einfach dagegen und Befürworter sagen, es liege an den einzelnen Universitäten. Und lässt sich mal wieder ein jeder die Schüssel Wasser bringen, um seine eigenen Hände in Unschuld zu waschen. Die Leidtragenden sind am Ende doch die Studenten, die zu wenig vom universitären System wissen und selbst wenn sie versuchen durchzusteigen, wird es ihnen erschwert.

Wer den Schweinehund überwinden will, für den ist so ein Bachelorstudium sicherlich das Richtige. Der nötige Druck ist da. Der Stoff wird fragmentarisch in gut verdaulichen Häppchen vermittelt. Doch zu viele Happen am Tag und in der Woche, erzeugen Übelkeit, Brechreiz. Dagegen gibt es Mittel! Aha! Zeitmanagement nennt das der wissenschaftliche Mitarbeiter gern und erklärt dann in einer eingeschobenen Extrasitzung, dass man am effektivsten morgens und gegen Nachmittag lernt.

Aha! Und wann geh ich arbeiten? Wann hole ich mein Kind aus der Kita? Wann besuche ich das Seminar an dem ich teilnehmen muss? Ja darauf wird dann dumm drein geschaut. Ist halt alles nicht so einfach, wird einem dann entgegen geworfen. Schon wieder steigt Übelkeit auf. Wer gut durchkommen will, der arbeitet am besten vor. Texte lesen, Bibliotheken besuchen, im Internet recherchieren, Zusatzseminare am Wochenende. Es sind ja nur 2 Texte pro Sitzung! Aha! Aber bei 7 Veranstaltungen je 2 Texte die Woche mal durchschnittlich 15 Seiten sind das 210 Seiten in der Woche!

Clever ist, wenn man sich auch gleich das Buch kauft. Vielleicht kann es jemand einscannen und als pdf verschicken. Ich brauche frische Luft – die Übelkeit. Ohne Internet – kein Studium. 2 Verteiler, die angeblich zur Grundausstattung gehören. Ich logge mich ein. 48 neue E-Mails. Davon sind 3 für mich relevant. Die anderen erzählen mir Geschichten über alte Waschmaschinen und wann wo welche Party steigt. Gut das es diesen Verteiler gibt. Die 3 anderen enthalten zusätzliche 120 Seiten Text aus dem Buch, welches sich ein Kommilitone klüglicher weise zugelegt hat. Ausdrucken muss man es selbst. Oder am Rechner lesen.

Ich renne zum Klo. Wie man Referate hält, lernt man, wie man schnell und effektiv in Gruppen zusammenarbeitet auch, wie man sein Leben komprimiert als pdf auch. Wie man mit dem Stress umgeht, bringt einem niemand wirklich bei. Nur dass man eine Menge Informationen im richtigen Moment ergießen muss. Das Verständnis ist weitgehend nicht von Interesse. Gewinnen werden die, die auswendig lernen können. Darüber gibt’s Bücher. Leider hatte ich keine Zeit die zu lesen.

Ich schlinge den Stoff vor der Klausur in mich hinein. Gehe eventuelle Fragenkataloge durch. Lerne exakte Definitionen, die eigentlich auch nur Signifikant eines Signifikanten sind. Dienstag 12 Uhr – die Aufgabenblätter werden verteilt. Ich stecke mir den Finger in den Hals und erbreche mein Wissen. Und morgen das nächste Fach.

Unsere Autorin:
LieseLotte

Dieser Artikel wurde zuerst veröffentlicht in:
JiM – Das Magazin, Ausgabe 28, April 2010.