Beiderseits der Logik
Kleine Begegnung

Allseitige Annäherungen an das Leben, den Alltag und andere seltsame Angelegenheiten unter wortreicher Verknüpfung des Sinnes, Unsinnes und anderer Sinne sowie Widersprüche von Menschen und Gedanken.

Es war ein nebliger Tag, einer der Tage, an denen der Nebel das einzige war, an denen er alles einhüllte. In den Straßen sah man ihn, wie er sanft, so sanft es nur möglich ist, die Menschen verschlang, sie umfing. Jeder ging allein an solchen Tagen. Die Passanten sahen nichts, nur den Nebel, mit dem sie allein über das Pflaster flossen, jeder einsam in seinem eigenen Fluss, in seinem Nebel, der sie alle umschloss.

Dort von vorn kam einer, der blickte sich ständig um, war nervös. Er hielt Ausschau nach anderen, aber er konnte niemanden sehen. Wenn er Schritte hörte und wenn auch ganz leise, spähte er in die Richtung, aus der sie kamen, immer vergeblich; er blieb einsam, wie er es schon vorher gewesen war und zog die Schultern hoch.

Es war nicht besonders kalt an diesem Tag. Dem Mann fröstelte. Er hob die Hand vor den Mund und hustete. Hatte ihn jemand gehört? Er suchte nach Bewegungen. Der Nebel lag fest auf den grauen Steinen. Seine Gedanken flossen: erst nach vorn, dann seitlich, wo sie an einem Laternenpfahl hängen blieben, von dessen oberem Ende Licht auf nichts fiel; es war nichts zu erkennen, das war es, was den Mann so verunsicherte, dass er die Einsamkeit sah.

Die Lampe spendete ein gelbliches Licht, an das er dachte. Eine Katze lief vor ihm über die Straße. Die Laterne? Die Gedanken verfingen sich. Vor sich konnte er das nächste Licht erahnen, dem die Katze entgegenlief; seine Gedanken hinterher. Als er dort anlangte, war die Katze nicht mehr da, sie hatte nur kurz angehalten. Verschwunden.

An den Verzierungen des Pfahles hingen Spinnenweben, gesehen und daran vorübergeeilt zur nächsten Laterne. Der Mann dachte an die zappelnden Insekten, die man manchmal im Spinnennetz fand – wie sie nicht mehr herauskamen, verzweifelt kämpfend und er ging geradeaus, weiter, weiter, ihn erwartete Nebel. Die Katze kam ihm wieder entgegen, bog zur Seite weg und war wieder fort. Der Mann hielt an und ging in die Hocke; er band sich den Schuh zu und ärgerte sich, dass die Schnürsenkel nicht gehalten hatten.

Er ging  weiter, hörte Schritte vor sich, die näher kamen: ein Schemen, grau, dann ein wenig gelblich im Lampenschein. Die beiden gingen aneinander vorüber, konnten nur kurz feststellen, dass sie einander nicht kannten. Nach einigen Schritten wandten beide im Laufen den Kopf nach hinten und blickten misstrauisch in den Nebel, in dem sie sich schon nicht mehr auszumachen in der Lage waren – der Mann war beruhigt, erleichtert. Ihre Gedanken trafen sich an dem Laternenpfahl, an dem sie sich begegnet waren. Der Mann bog um die nächste Straßenecke; er fühlte sich einsam – man sah das nicht im Nebel.

 

Von Norman Weitemeier.