Teil I/IV
Die Menschen wundern sich. Und viel zu wenig.
Da das Kind Schimpfworte benutzt, sagt der Großvater: Was man ins Kind nicht hineinstopft, das spuckt es auch nicht aus.
Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es: Ein Kind ist kein Wald.
Und das Kind fragt: Großmutter, warum hast du so große Ohren?
Weil ich die Großmutter bin, antwortet diese, deshalb habe ich auch größere Ohren; schau dir deine Mutter an, die hat kleinere.
Und das Kind sagt: Großmutter lebt auf großem Fuß.
Ich zieh dir die Ohren lang, ruft der Großvater, so lang und spitz, dass man denkt, du seist der Wolf, vor dem der Hammel sich fürchtet.
Der Wolf reißt den Hammel. Es ist der Lieblingshammel des Friedhelm Gruber gewesen. Friedhelm ist auch schon tot, doch man erinnerte sich immer gern an ihn. Wenn sie den Hammel sahen, sagten sie: Friedhelm, ja wenn der Friedhelm noch lebte, dann hätten wir ein Grab weniger zu pflegen. Oder sie sagten etwas anderes, aber sie sagten etwas und kraft ihrer Erinnerungen und des Hammels war Friedhelm der ungestorbene Tote. Jetzt ist der Hammel tot.
Zu Ehren Friedhelm Grubers: Erschießt den Wolf!
Die Großmutter erzählt: Und die Jäger zogen durch die Straßen gen Wald. Sie schossen den Wolf tot.
Wann immer sie den Wolf gesehen hatten, hatten sie gesagt: Ach, der Hammel, als der noch lebte, da haben sich alle an Friedhelm erinnert.
Und das Grab, in dem Friedhelms Gebeine ruhen, verwahrlost. Es ist vergessen worden. Friedhelm, der gestorbene Tote.
Endlich ist der böse Wolf tot. Das wird gefeiert. Und die Pazifisten blicken den Jägern und den marschierenden Spielmannszügen nach – wie schön die Knöpfe der Uniformen in der Sonne glänzen. Bis zum Einbruch der Dunkelheit. Wo bricht sie ein? Warum erwischt sie nie jemand bei ihrem schändlichen Tun? Gisbert könnte es wissen, der Bruder Friedhelms. Er sagt: So wie ihr in den Wald hineinspuckt, werden es auch eure Kinder tun, aber wehe, wenn die Dunkelheit hereinbricht und der nächste Wolf in ihrem Schutz die Vorräte stiehlt, nachdem der letzte schon den Hammel gerissen hat.
Die Leute bewachen ihre Vorräte; sie verriegeln die Tür und lassen in der Speisekammer das Licht brennen.
…
Text und Bilder: Norman Weitemeier